Die Mythen und Irrtümer über das Thema Stress halten sich in unserer leistungsfixierten Gesellschaft außerordentlich hartnäckig. In manchen Kreisen gehört es sogar zum guten Ton, sich bei Kollegen und Vorgesetzten gelegentlich über den Stress zu beklagen. Das suggeriert Engagement und Wichtigkeit. Stolz brüstet sich mancher sogar, er brauche den Stress, um so richtig in Fahrt zu kommen. Ja, das gibt es auch, denn Stress ist nicht gleich Stress. Die Fachwelt unterscheidet zwischen positivem, dem Eustress und dem negativen, dem Disstress.
Positiver Stress – der Eustress
Der positive Stress erhöht unsere Aufmerksamkeit. Er trägt zur maximalen Leistungsfähigkeit unseres Körpers bei und wirkt sich selbst bei andauerndem Stress positiv auf die Psyche und unseren gesamten Organismus aus. Eustress entsteht immer dort, wo wir zwar unter Zeit- oder Leistungsdruck stehen, wir uns aber aus innerem Antrieb heraus den Herausforderungen stellen wollen und uns im Grunde den Anforderungen noch gewachsen sehen. Wir erleben dann den Flow, die Lust des Neugiertriebes.
Immer dann, wenn wir in den Flow geraten, entwickeln wir uns weiter. Wir gehen an Grenzen und einen Schritt drüber hinaus. Der Blick auf das Ergebnis verschafft innere Befriedigung und schenkt Selbstbewusstsein, sich neuen Herausforderungen zu stellen.
Negativer Stress – der Dissstress
Dieselbe Situation, die den einen in den Flow versetzt, kann bei einem anderen jedoch Disstress hervorrufen. Wir haben dann unsere Wohlfühlzone längst verlassen. Meist sind es äußere Umstände, die uns in diese Situation gebracht haben. Wir fühlen uns mit den Anforderungen überfordert. Unser Organismus reagiert mit Panik und macht sich bereit zur Flucht. Wenn wir uns der Situation jedoch hilflos ausgeliefert fühlen und ihr scheinbar nicht entkommen können, sinkt unsere Aufmerksamkeit und die Leistungsfähigkeit. Insbesondere im beruflichen Kontext ein Teufelskreis.
Die Symptome sind so unterschiedlich wie die Menschen selbst. Sodbrennen, Schlafstörungen und Kopfschmerzen sind nur einige der physischen Reaktionen unseres Körpers. Dem jüngsten Barmer GEK Arztreport 2016 nach ist die Zahl der jüngeren Kopfschmerzpatienten seit 2005 um 42 % gestiegen.
Besonders dramatisch ist auch die Situation, wenn wir von der einen Stresssituation in die andere geraten und keinerlei Rückzugs- oder Ausgleichsmöglichkeiten haben. Etwa 23 % der Menschen können abends oder am Wochenende nicht richtig abschalten. Jeder Vierte fühlt sich erschöpft oder ausgebrannt. Besonders betroffen sind die Frauen.
Stressbewältigung
Um dem Stress wirksam begegnen zu können, ist es zunächst erforderlich, die Quelle zu identifizieren. Äußeren Stressoren begegnet man anders als inneren. Ist es eher das Umfeld, können wir versuchen, diese Umstände zu ändern. Ein erster Schritt kann sein, „Nein“ zu sagen. Klar zu kommunizieren, dass es nicht mehr geht. Das Gespräch mit den Beteiligten suchen und gemeinsam Lösungen zu finden.
Häufig sind es aber auch innere Stressoren. Unser Anspruch an Perfektion und Leistungsfähigkeit kann uns genauso überfordern wie eine negative Grundstimmung, fehlende Prioritäten und klare Ziele. Hier geht es also um die innere Neubewertung der Situation.
Während diese beiden Bewältigungsstrategien auf die Stressreduktion abzielen, setzt das palliativ-regenerative Stressmanagement an der körperlichen und psychischen Stressreaktion an. Entspannungstechniken wie Yoga, autogenes Training oder die progressive Muskelentspannung leisten einen wertvollen Beitrag, die Stressreaktion zu kontrollieren und zu regulieren. Langfristig stärken regelmäßiger Sport, gezielte Erholungspausen und die pflege sozialer Kontakte die eigene Widerstandskraft.
Individuelle Bewältigungsstrategie
Klar ist, dass die Ursachen für Stress sehr unterschiedlich sein können. Darüber hinaus sind auch die Stressreaktionen und die Bewältigungsmöglichkeiten sehr individuell. Daher ist es ratsam, frühzeitig die Zeit zu investieren, sich mit der persönlichen Situation auseinanderzusetzen und eine individuelle Bewältigungsstrategie zu erarbeiten. So können seelischen Beschwerden wie Burn-Out, Depression oder Angststörungen vorgebeugt werden.