Wie ein Kind im Bonbonladen
Das Internet in der heutigen Form existiert erst seit etwa 25 Jahren. Der richtige Boom setzte dann 2003 mit dem Aufkommen der Social-Media-Plattformen ein. Seither explodierte die Zahl der Nutzer und auch der Anbieter. Neue Chancen bieten sich dabei für alle Beteiligten. Doch wo sich Gelegenheiten bieten, lauern meist auch Gefahren. Die Berichterstattung über das Internet in den Massenmedien deckt ein Problem nach dem anderen auf und gesetzlich ist das Internet kaum zu bändigen.
Schillernd bunt präsentiert sich die digitale Welt. Eine Welt voll unzähliger Möglichkeiten und Verlockungen. Auf manche wirkt dies sicherlich wie ehemals ein Bonbonladen auf unsere Großeltern als Kind. Doch Sie mussten damals lernen, dass sie nicht alles auf einmal und zu jeder Zeit haben können und dass es auch ein Zuviel des Guten gibt. Genau so müssen auch wir heute lernen, das Internet in einem sinnvollen Maße zu nutzen.
In Bezug auf das Naschwerk haben Kinder meist Eltern, die sich selbst einen vernünftigen Umgang damit angeeignet haben und diese Erfahrungen an ihre Kinder weitergeben und mit gutem Beispiel vorangehen können. Doch das Internet ist noch zu jung und alle Generationen sind gleichzeitig auf der Suche nach Wegen, damit umzugehen – jede auf seine Weise.
Der Engpass ist der Mensch
Lange hatte man sich damit begnügt, die Digitalisierung hauptsächlich technisch zu ermöglichen. Das Breitbandnetz wurde ausgebaut, Schulklassen mit Tablets ausgestattet und das Programmieren als Schulfach eingerichtet. Doch ein zentraler Aspekt blieb dabei nahezu unberücksichtigt: „… die Sorge …, dass der Mensch in neue Abhängigkeiten gerät, die er nicht durchschaut. Als Konsument kenne er nur die bunte Benutzeroberfläche der zahlreichen digitalen Angebote, begreife aber nicht das darunter liegende System und die Bedingungen, nach denen es funktioniert.“ Mit diesen Worten fasste Sigmar Gabriel Ende letzten Jahres das Stimmungsbild von Internetkritikern zusammen und teilte deren Besorgnis.
Gabriel rief zur digitalen Emanzipation auf. Der klassische Ansatz der Datensparsamkeit sei heutzutage hilflos in Anbetracht immer neuer Kommunikations- und Konsumverhalten, Vernetzung und Sensorik, die immer neue Datenquellen zum Sprudeln bringen. Das Herzstück sei die Datensouveränität als Ausdruck einer selbstbestimmten und selbstbewussten Entscheidung. Dazu seien mindestens vier Disziplinen erforderlich:
Technische Souveränität
Wer in einer digitalen Welt souverän agieren möchte, der müsse die Technik beherrschen. Das bedeute, eine Software nicht nur anwenden zu können, sondern auch programmieren zu können oder ein besseres Verständnis für Mikroelektronik zu gewinnen.
Ökonomische Souveränität
Nur wer verstehe, wie Air BNB ohne eigene Betten zum weltweit größten Übernachtungsdienst aufsteigen konnte, wie Uber ohne ein einziges eigenes Auto zum weltweit mächtigsten Fahrdienstleister werden konnte und Youtube ohne eigene Videos zum weltweit mächtigsten Videoportal werden konnte, wisse um den Wert von Daten. Nur wer die Zusammenhänge und die Wirkung verstanden hat, könne sich souverän durch kritisches Konsum- und Marktverhalten in der digitalen Welt bewegen.
Psychologische Souveränität
Wer sich die digitale Welt auch nutzbar machen möchte, brauche auch ein gewisses Vertrauen darauf, dass nie zuvor so viel Bildung und Wissen frei verfügbar war wie heute. Musste man sich früher noch Bücher kaufen und Kurse besuchen, so ist heute vom Krawattenknoten bis zu Vorlesungen namhafter Universitäten nahezu alles frei verfügbar. Die Herausforderung besteht heute vielmehr darin, die Informationen zu sondieren und zu bewerten.
Rechtliche Souveränität
Damit Datensouveränität überhaupt erst möglich wird, bedürfe es klarer Regeln. Hier sei insbesondere die Politik gefordert den digitalen Ordnungsrahmen voranzutreiben und für Rechtssicherheit zu sorgen. Dies beträfe vor allem Fragen des Urheberrechts, des Datenschutzes und des Kartellrechts. Der Mensch als Souverän seiner Daten profitiere ab 2018 enorm von der neuen Grundverordnung . Der Einzelne gewinne wirkungsmächtige Instrumente für die rechtliche und ökonomische Souveränität.
Jedem ist klar, dass das beste Werkzeug immer nur so gut ist, wie der Mensch, der es benutzt. Je früher uns bewusst wird, dass die Digitalisierung einen ganzen Werkzeugkoffer mit sich bringt, desto früher können wir loslegen, die erforderlichen Kompetenzen zu erwerben um die mächtigen Werkzeuge zu bedienen und uns nutzbar zu machen. Denn es ist längst nicht damit getan, den Versuch zu unternehmen, die analoge Welt in die digitale Welt ein zu eins zu transferieren.